Überhörte Gespräche

TL; DR. Gelebte „wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten“ werden ausgenutzt und können verworfen werden.

Am Flughafen tummeln sich allerlei Personen mit demselben Reiseziel. Obwohl das Reiseziel identisch ist, sind es die Personen keineswegs. Plötzlich ist deine Umgebung voller neuer Individuen mit ihrem eigenen Vorstellungen, Träumen und Eigenarten. Diese erlebst du insbesondere in den vielen Warteschlangen und Prozessen, die einem Flug vorausgehen. Die Wartezeit ist überaus Variabel, denn wenn du nicht gerade Last Minute alle Fast Track Angebote des Flughafens und der Airline buchst, wartest du an der ein oder anderen Stelle. Ähnlich zum gemütlichen People Watching in der Fußgängerzone formt sich eine beobachtende Neugierde, die maßgeblich durch die begleitende Langeweile der stehenden Warteschlange entsteht und den Konversationen, die um dich herum geformt werden.

Ein Gespräch davon wurde mit intensiver Gestik geführt. Er hatte keinen Gesprächspartner, der diese Gestik wahrnehmen konnte, aber an seinen AirPods und der kaufmännischen Betonung von Wert und Kapital war die Position der Person ersichtlich. Vom Look her schien es mir fast als wenn einer dieser Coaches aus den lästigen YouTube Werbungen plötzlich in Natura neben mir stand. Es fehlte lediglich, dass er sich zu mir umdreht und fragt „möchtest du deine Selbstständigkeit nicht auf das nächste Level bringen? Hab‘ meinen Workshop gerade reduziert zu einem Spottpreis von 4998€!“ Nein, danke.

Dazu kam es zum Glück nicht, denn das Gespräch am Telefon schien fesselnd zu sein. Das Thema umfasste ein Fenster. Um genau zu sein, ging es um ein Wohnzimmerfenster, dass repariert werden musste und dessen Typ eigentlich nur für einen Wintergarten zulässig war und deshalb jegliche Reparatur keine Garantie mit sich ziehen würde. Die bessere Option wäre es, den fünffachen Preis für ein neues Fenster zu zahlen. Dieses Szenario kann in vielen Varianten stimmig sein. Nichtsdestotrotz sah sich der gestikulierende Teilnehmer in Rechtfertigungsnot und sprach einen gängigen Spruch aus: „wer günstig kauft, kauft zweimal“ und als wäre die Bekanntheit dieses Spruchs nicht hinreichend, sprach er „das ist ein Wirtschaftsgesetz.“ Bis zum letzten Satz war die Situation absolut einleuchtend, aber eine Gesetzmäßigkeit auszurufen, benötigt einige Überlegung.

Sein Gesprächspartner schien ähnlich skeptisch bei diesem finalen Satz zu sein, sodass sich Mr. Gestik mit einem Beispiel behelfen wollte. Für diese angebliche Gesetzmäßigkeit gibt es viele Beispiele mit der Betonung auf verschiedene Aspekte, aber er wählte den eine Aspekt, der die geringste Rolle spielt: Preis. „Wenn du ein Hemd für 20€ kaufst, gehst du davon aus, dass du dir nach kurzer Zeit ein neues Hemd für 20€ kaufen musst. Stattdessen könntest du dir gleich das Hemd für 50€ holen und stehst mindestens genauso gut da.“ Bei Klamotten ist der Preis häufig nicht ausschlaggebend für die Qualität. Der Name fließt häufig in den Preis ein und potentiell kommen beide Hemden aus der gleichen Fabrik, verwenden die gleichen Stoffe und werden von den gleichen Mitarbeitern genäht. Wenn teuer immer linear besser wäre, sprich ein Preisfaktor von 2,5 bedeutet eine höhere Haltbarkeit um einen Faktor 2,5, dann wäre der Vergleich berechtigt. Nimmst du nun diese „Gesetzmäßigkeit“ an, dann wäre es vom Handel eine wirtschaftlich sinnvolle Aktion, neben dem 20€ Hemd das qualitativ gleichwertige Produkt für 50€ zu platzieren, da du das teurere kaufen würdest. Eben jene „Gesetzmäßigkeiten“ werden nichtig, sobald du und andere sie als solche behandeln. Das gilt für diverse Markt-„Gesetzmäßigkeiten“, also lasst uns doch aufhören sie als solche zu bezeichnen.

Welcher pauschalen Kaufregel folgst du? Schreib sie mir in die Kommentare!

Song of the day

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I try to justify my life by convincing myself of complex lies. Why can’t I just be free?Like these fish made of jelly

Caroline Konstnar – The Jellyfish Song

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