TL; DR. Solltest du die rosarote Brille mal absetzen, halt sie immer gut im Blick, denn du weißt nie, wann sich die Gelegenheit bietet, Träume zu verwirklichen.
Es gibt Personen, dessen Meinung du höher schätzt, als die Meinung dahergelaufener Schwätzer. Mit jedem Jahr, dass du an Erfahrung gewinnst und deine Weisheit Stück für Stück beabsichtigt oder unbeabsichtigt erweiterst, verändern sich deine Ansichten und generell holt die Realität dich mit heranwachsender Zeit ein. Meist steht diese Entwicklung in Korrelation mit einem verschwindenden Idealismus, doch sie steht definitiv im Kausalzusammenhang mit abflachender Naivität. Nun gibt es für romantische Gefühle das besondere Sprichwort, die Welt durch eine rosarote Brille zu sehen. Diese Brille ist magisch und lässt ohne großen Aufwand diverse Probleme, Hürden oder Diskrepanzen im Nichts verschwinden. Plötzlich sind die Anfänge romantischer Verpflichtungen stets zugänglich und alle negativen Entwicklungen können erfolgreich ausgeblendet sowie zukünftig bekämpft werden. Dieses Konzept lässt sich ebenfalls auf die Karriere übertragen und anstelle romantischer Gefühle liegt die Basis in der eigenen Naivität, der maßlosen Selbstüberschätzung oder schlicht dem eigenen Anspruch.
Ich erinnere mich, dass mir jemand, dessen Meinung mir normalerweise besonders wichtig ist, mich einst beiseite nahm und sagte, dass meine Vorstellungen vom Berufsleben, dem Einstiegsgehalt und etwaigen Möglichkeiten während dem Durchlaufen der üblichen Karrierestufen unrealistisch, gar utopisch seien und ich meinen Anspruch entsprechend des bekannten Arbeitsmarktes senken sollte. Darüber konnte ich am Ende meines Bachelorstudiums lediglich kichern, habe den Kommentar als etwas verbittert wahrgenommen und bin weiterhin bei meinen Positionen geblieben. Zugleich war mir jederzeit bewusst, dass ich für hohe Positionen eine entsprechende Leistung und damit einhergehende Arbeitskraft erbringen muss. Mit einem stetig gleichbleibendem Ehrgeiz hatte ich zwar stets gute Leistungen erbracht, doch mit dem Ausblick auf deutlich mehr Verpflichtungen innerhalb der Nachstudienzeit war mir ein ausgewogenes Sozialleben mit den studentischen Vorteilen höher in der Priorität angesiedelt. Die Minimalansprüche, die ich zu dem Zeitpunkt ausgesprochen hatte, galten jedoch auch nach der Entscheidung, das Leistungspotential nicht alleinig auf mein Hauptfach zu konzentrieren. Ein paar Jahre gingen ins Land und die Person, die mir einst sagte, dass meine Vorstellungen doch viel zu utopisch seien und mir riet ein eher realistisches Bild zu schaffen, wendete sich mir erneut zu. Diesmal jedoch in einer etwas anderen Manier. Plötzlich waren meine einst erwähnten Minimalziele gar nicht mehr unrealistisch oder gar zu hoch gegriffen. Sie waren plötzlich machbar, vielleicht etwas zu klein gehalten, jedoch reichen sie für den Start. Mir persönlich kam nie die Idee, meinen Anspruch zu senken, aber es bestärkt mich umso mehr in der Entscheidung, wenn jemand, der Zweifel geäußert hat, ebenfalls zu der Feststellung gekommen ist, die von mir selbst getroffen wurde.
Mit nunmehr als zwei Jahren Berufserfahrung, sehe ich bei mir und meinem Umfeld den Ursprung solcher Realitätszweifel. Zum einen liegt es an der Risikoaversion, die entwickelt wird, sobald der gesellschaftliche Druck steigt, eine Art des sesshaften Lebens zu führen. Da sind Risikoabwägung Alltag und einfache Risiken, die du aus dem Weg schaffen kannst, sind eben jene, die als erstes weichen müssen. Zum anderen fehlt einem, je nach Berufswahl, der Austausch der Möglichkeiten, die nicht in der eigenen Peripherie liegen. Da mein Netzwerk sich über diverse Jahrgänge erstreckt und ich keineswegs vollständig aus der Studentenmentalität gekommen bin, beobachte ich, welche Möglichkeiten, Anforderungen oder Wege machbar sind. Die Vielzahl an Alternativen war bereits damals der Grund für meine Haltung. Mit jedem neuen beobachteten Weg werden skurrile Lebenspläne im Hinblick auf Karriere nicht durch den kritischen, zweifelnden Blick wahrgenommen, sondern durch die ach so wundervolle rosarote Brille. Der Kommentar, der nach den Jahren der Reflektion revidiert und ergänzt wurde sprach im selben Bild, dass es das richtige Verhalten von meiner Seite war, die rosarote Brille nicht abzunehmen, denn dann ist die Wahrscheinlichkeit sie zu verlieren deutlich geringer. In unserer Welt der Möglichkeiten ist es essentiell, seine Fahrt nicht verpuffen zu lassen und seine Träume, egal wie groß sie scheinen, nicht aus den Augen zu verlieren und nur unter starkem Widerstand klein beizugeben. Lass Träume jedoch niemals Träume bleiben, sondern evaluiere, welche Schritte dich zu deinem Ziel führen werden, selbst wenn etwas ein wenig Glück benötigt.
Song of the day
Favorite part
I know you dig the way I sw-sw-switch my style
(Holla) People sing around
Now people gather ‚round
Now people jump around
Missy Elliott – Get Ur Freak On