TL; DR. Wenn Beschlüsse vorab schon von der Quelle bis zur rechtlichen Formulierung vorhanden sind, lassen sich Diskussionen verkürzen und ihre Qualität erhöhen. Zudem werden Fehler verringert, die in angespannter Zeit fatal sein können.
Du könntest annehmen, dass nach 15 Stunden und einer langen Bedenk- und Rückzugspause von sechs Stunden, ein kohärentes Ergebnis zu erwarten ist. Es ist etwas bestürzend zu sehen, dass das nicht der Fall ist und es sich hier nicht um ein Unternehmen handelt, welches keinerlei Einfluss auf dein Leben hat, sondern es ist die Zusammenkunft amtierender Bundes- und Landesregierungschefs betrifft. Das soll jetzt aber kein wutentbrannter Leserbrief werden, denn dafür bin ich schlichtweg nicht hinreichend informiert und auch zu wenig politikerfahren, um entsprechende Urteile über Handlungsstränge der Entscheider zu treffen. Wohlmöglich ist der Konflikt unter 16 Bundesländern inklusive der Bundeskanzlerin so verstrickt, dass eine Entwirrung unmöglich ist. Die Motivation dieses Artikels ist nicht aus der Ministerpräsidentenkonferenz entstanden, sondern beruht auf eine Frage, die in einer Konversation über die gekippte Osterruhe losgetreten wurde. Nachdem nach ihrer Ankündigung erste Unternehmen bereits äußerten, dass die Umsetzung alleine von technischer Seite nicht möglich sei, musste ich direkt daran denken, dass bei SAP schon irgendjemand dieses Modul zum Einfügen eines außerordentlichen Feiertags rumliegen hatte. Dieses wurde vermutlich vom letzten Jahr für den außerordentlichen Feiertag zum Reformationstag 2020 übernommen. Jedenfalls lässt sich über einiges diskutieren und spekulieren, doch viel interessanter ist doch die Fragestellung, wie es hätte besser ausgestaltet, vorbereitet und beschlossen werden können.
Bisher waren die Konferenzen so angesetzt, dass etwas beschlossen wurde und bis zum folgenden Freitag wurde es letztendlich in eine juristisch bindende Verordnung gegeben. So oder so ähnlich kannst du dir auch ohne jegliches Hintergrundwissen denken, dass selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass alle Teilnehmer Volljuristen sind, es unter keinen Umständen zu Beschlüssen kommt, die rechtlich direkt und ohne Verzögerung umzusetzen sind. Schließlich würde eine solche praktische Orientierung der Lösungsfindung schaden, denn neue Ideen, die nicht juristisch durchdacht sind, könnten dann nicht mit einbezogen werden. Nun sind wir in einer Situation, dass die Oberhaupte entsprechend konversieren, um ihre eigenen Lösungsvorschläge, welche überwiegend für ihr Bundesland gelten, hervorzubringen und mit den anderen Teilnehmern Kompromisse daraus zu bilden. Mit den Aufgaben, die mit dem Posten vermeintlich einher gehen wird niemand die Zeit besitzen, sich diese Lösungen vollständig selbst zu überlegen, denn wer studiert nebenher ein komplett fremdes Fach, um fundierte Entscheidungen treffen zu können geschweige wenn hat die Zeit dazu? Dafür gibt es dedizierte Expertengremien, die mit diversen Wissenschaftlern bestückt sind. Dieses Fachpersonal ist dazu qualifiziert, fundierte Aussagen zu treffen und für exakt formulierte Problemstellungen ein Baustein der Gesamtlösung zu formulieren. Die schwierige Aufgabe für das etwaige Oberhaupt ist es dann aus diesen Bausteinen selektiv und kompromissbereit in die Verhandlung zu gehen und so viel wie möglich im endgültig beschlossenen Gesamtpapier unterzubringen. Das klingt auf den ersten Blick nach einem strukturierten Vorgehen, sofern die Kompetenz der Beteiligten Personen vorausgesetzt wird.
Bei einem Zusammenschustern verschiedenster Interessensfelder können Fehler unterlaufen. Irren ist menschlich und am Ende des Tages musst du lediglich in der Lage sein, deinen Fehler zu benennen, dafür gerade zu stehen und gegebenenfalls Schritte einzuleiten um den Fehler und entstandene Schaden wieder wett zu machen. In einer angespannten Situation ist es jedoch verheerend große Verkündungen zu tätigen, jedoch nach ein paar Tagen die größten Neuigkeiten zu revidieren. Das schürt Mistrauen in die Kompetenz und da stellte sich in einer Konversation darüber die Frage, wie solche Fehler passieren und vermieden werden könnten. Der einfachste Erklärungsversuch wie so etwas passieren kann, liegt bereits im Lösungsansatz für dieses Problem.
- Du musst ein Problem mit vielen Beteiligten, teils sehr besorgten und sensiblen Bereichen treffen? Hol dir entsprechende Meinungen diverser Repräsentanten dieser Resorts ein und höre dir die Faktenlage aus jedem Bereich für den eigenen Bereich an und trage alle Punkte zusammen.
- Erkenne Überschneidungen und konsolidiere die Liste der Ansätze, sodass du keineswegs vor zu vielen Punkten den ganzen Zweck nicht mehr siehst, jedoch keinen Bereich außen vor lässt.
- Priorisiere die Punkte, die der regierten Bevölkerung den größten Nutzen bringt. Schließlich wurde diesbezüglich ein Eid abgelegt.
- Nimm dir nun alle Punkte und gib sie deiner zuständigen Rechtsabteilung oder hole dir externe juristische Beratung ein, um die juristischen Textvorlagen für alle diese Punkte vorzuformulieren. Sollten manche Spezifika offen bleiben, so sollen diese ausreichend gekennzeichnet werden. Das Personal der eigenen Ministerien betitelt die Entwürfe dann entsprechend und formuliert einen kleinen Hintergrund zu dem, was die Intention hinter diesem Baustein ist und von wem er ursprünglich formuliert wurde. Am besten werden noch entsprechende Fußnoten angefügt, wie viel wirtschaftlicher Einfluss in die Entscheidung geflossen ist, aber das ist nur im Nachgang relevant.
- In der Diskussion mit allen anderen Parteien kannst du dann glänzen! Nicht nur wurden bereits alle juristischen Formulierungen angefertigt und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Nein, es kommt noch viel besser! Die Diskussionsgrundlage bewegt sich von einer gefühlten Wahrheit zu einer faktenbasierten Beurteilung der Lage und falls die Priorisierung sinnvoll getroffen wurde, folgt daraus eine Überbetonung auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Prognosen. Das würde die Qualität auf erwartete Mindeststandards verfestigen.
- Nach den Kompromissen tragen allesamt ihre vorgefertigten Beschlüsse zusammen, diese werden noch ein letztes Mal aufpoliert und es gibt ein Ergebnis, welches sowohl Nachvollziehbarkeit stipuliert, als auch eine solide Grundlage besitzt. Im Optimalfall sind diese modularen Bausteine sogar vom Bundestag und Bundesrat abgesegnet und so erlischt sofort der Vorwurf des fehlenden Mitbestimmungsrechts!
Stattdessen erleben wir nach einem Jahr Pandemie keine Veränderung in der Art und Weise wie Beschlüsse sowohl vorab diskutiert, sowie nachträglich formuliert werden. Die Schritte sind zwar sehr strängend definierbar, jedoch müssen sie mit großer Sorgfalt durchgeführt werden und es müssen regelmäßige Aktualisierungen zum Ermessen der Lage hinzugefügt werden. Der Ansatz solche Diskussionsrunden mit rudimentären, juristisch durchdachten Papieren zu unterlegen scheint mir hier ein vollständiger zu sein. Vielleicht folgt die Praxis genau diesem Prozess, nur würden dann meine Zweifel an der Kompetenz größer und potentiell berechtigt sein. Um eine schöne Bewertung der Wissenschaftlichkeit zu erhalten, verweise ich gerne auf das Coronavirus-Update von NDR Info, wo Sandra Ciesek auf die Nachfrage wie viel Wissenschaft in den neuen Beschlüssen vom 23. März 2021 steckt, antwortete
Ich denke, das sind vor allen politische Beschlüsse. Das hat mit Wissenschaft weniger zu tun. Deshalb ist das auch in einem Wissenschaftspodcast schwierig zu diskutieren.
Prof. Sandra Ciesek (Quelle Das Coronavirus-Update von NDR Info, Folge 81, Minute 1:38, Stand: 30.03.2021)
Was wäre deine Strategie für mehr Ordnung in der Beschlussfassung und ihrer Kommunikation? Schreib mir deinen Plan A in die Kommentare!
Song of the day
Favorite part
Help me if you can, I’m feeling down
And I do appreciate you being ‚round
Help me get my feet back on the ground
Won’t you please, please help me?
The Beatles – Help!