TL; DR. Es ist wichtig reflektiert und selbstkritisch zu sein. Du stehst nicht über allem und solltest nicht auf den Zug der Selbstliebe aufspringen.
Solltest du auf sozialen Medien unterwegs sein, wirst du viele Beiträge überflogen oder auch gelesen haben, welche sich mit dem Thema Selbstliebe befassen. Slogans wie „Bedingungslose Liebe beginnt bei dir“, „Du musst dich nicht für andere ändern“, „Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben“ oder auch „Dein Glück steht über allen anderen“ kursieren dort in einer überwältigenden Vielzahl bis du in dieser Filterblase landest, denn es lässt sich gut vermarkten. Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich finde es wichtig, dass jeder sich selbst wertschätzen kann, sich nicht von schlechten Gefühlen und Gedanken überrumpeln lässt und alles in allem zufrieden und glücklich mit sich und seinem Leben ist. Das Problem, welches ich darin sehe, lässt sich auf einen Satz herunterbrechen. Solltest du eine gesunde, aber gesellschaftsunfähige Person sein, solltest du etwas an dir ändern. Es geht nicht um soziale Zusammenkünfte und wie du dich darin zurecht findest, sondern um den Fakt, dass du schlicht und ergreifend nicht perfekt bist. Ich bin auch nicht perfekt. Niemand ist perfekt. Doch insbesondere durch den Filter den der Großteil der Inhalte passiert, kannst du fälschlicherweise annehmen, dass alle um dich herum perfekt sind, nur du nicht. Das ist gefährlich und destruktiv. Nicht nur für das eigene Wohlbefinden, sondern auch für die Gesellschaft. Und nun kommt der Selbstliebe-Zug direkt auf dich zu!
Angenommen, du bist eine Person mit der man unmöglich befreundet sein kann. Sei es aufgrund von Kleinigkeit wie Unpünktlichkeit, die sich allgemein auf Unzuverlässigkeit ausweitet, größere Vertrauensverluste durch gebrochene Versprechen und Verrat oder schlichtweg durch das nicht-einhalten von Grenzen, die dein Gegenüber lauthals oder nonverbal kommuniziert hat. Jetzt lebst du dein Leben und fragst dich weshalb deine Freundschaften stets zerbrechen. Manchmal harmonierst du einfach nicht mit einer Person, das beruht meistens auf Gegenseitigkeit. Ansonsten suchst du die Schuld in auf einer der beiden Seiten, doch hier kommt der Knackpunkt. Siehst du die Schuld bei der anderen Person, hast du keine Motivation dich zu verändern und bleibst alleine, denn die Annahme ist, dass man mit dir unmöglich befreundet sein kann. Siehst du die Schuld bei dir, kann das auch problematisch werden, stellt aber schon einen Schritt in die richtige Richtung dar. Denn solltest du nicht anerkennen, dass du dich verändern kannst, frisst du den Frust der dadurch entsteht, kontinuierlich in dich hinein anstatt dein Potential und deine Individualität effektiv zu nutzen. Der beste Weg ist anzuerkennen, dass du etwas ändern musst und es auch ändern kannst. Setze dir Maßstäbe nach denen du bewertest ob deine Probleme sich verringern und kontrolliere stets ob du dich verbessert hast. Veränderung braucht seine Zeit, insbesondere wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht.
Nun stell dir vor, dass du andauernd und ohne Reflektionsanreiz die Selbstliebe-Slogans immer und überall um die Ohren gehauen bekommst. Dann fängst du an, die Schuld bei den anderen zu suchen, auch wenn das Probleme bei dir liegen könnte. Beachte den Konjunktiv. Du akzeptierst vielleicht einen ungesunden Zustand, den du mit etwas Disziplin ändern könntest, nur weil du dich akzeptieren sollst wie du bist. Aber was ist falsch daran an sich zu arbeiten? Falsche Gesellschaftsbilder sorgen leider dafür, dass der Selbstoptimierungsdrang, den wir besitzen häufig in etwas überschlägt, das nichts mehr mit Selbstoptimierung zu tun hat und einen gegenteiligen Effekt hervorruft. Du solltest stets deinen eigenen Weg und auch deine eigene Geschwindigkeit wählen um an dein eigenes Ziel kommen. Vergiss nicht, dass du nicht alleine auf dieser Erde lebst und behalte immer im Hinterkopf, dass deine Aktionen immer einen Einfluss auf deine Umgebung haben werden. Alleine schafft man letztendlich nichts.
An dieser Stelle möchte ich den eingangs erwähnten Punkt aufgreifen. Marketing sorgt dafür, dass du beeinflusst wirst etwas zu kaufen, das du nicht unbedingt möchtest. Dass viele Produkte teurer verkauft werden, als sie tatsächlich Wert sind, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Doch trotzdem konsumieren wir mehr, länger und sind insbesondere in sozialen Netzwerken deutlich emotionaler als wir es im Alltäglichen Miteinander wären. Theorien und Studien legen nahe, dass emotional aufgeladene Nutzer länger auf einer Plattform bleiben, mehr Produkte kaufen und anfälliger für populistisches Marketing sind. Also sind unvollständige Slogans, repetitive Moralpredigten in Form von Selbstliebe-Memes und gewissenlose Influencer schlichtweg ein Multiplikator.
Lass dich nicht unterkriegen, bleib selbstbewusst und arbeite an dir bis du zufrieden mit dir und deinem Leben bist, aber achte stets auf die Leute die dich und die du auf deinem Lebensweg begleitest.
Was hältst du von Selbstliebe-Slogans? Findest du die vergleichbar ätzend wie ich? Lass es mich wissen!
Song of the day
Favorite part
I’m just a cat. I don’t play bitch
I’m not a dog, allow me to stretch
No passport required. International is what I am
No Visa desired and you’re the one and
Simon and the Astronauts – I’m Just a Cat
Da magst du in vielerlei Hinsicht recht haben, doch viele soziale Probleme entstehen eben aus fehlender Selbstliebe heraus. Wer mit sich im Reinen ist, ist normalerweise kein Arschloch. Letzterer hat eher etwas zu kompensieren.
Bahnt uns Selbstliebe nicht erst den Weg zur Liebe zu anderen? Lernen wir nicht erst dadurch, dass wir uns selbst respektieren, diesen Respekt anderen entgegenzubringen? Nicht zuletzt spiegeln wir das Verhalten wider, das wir von anderen erlebt haben. Wenn ich immer mies behandelt, unterbrochen, übergangen etc. werde, bin ich folglich genauso zu anderen – oder ich lerne, dass Angriff nicht immer die beste Verteidigung ist.
Trotzdem – es wäre spannend, wissenschaftlich zu untersuchen, inwiefern solche Werbung sich tatsächlich auf unsere sozialen Interaktionen auswirkt.
Das Problem, das ich in manchen Situationen beobachtet habe ist, dass sich Leute ohne vermindertes Selbstwertgefühl, doch mit wirklich asozialen Zügen sich durch solch Selbstliebeansätze gerechtfertigt haben und gleichzeitig Personen die tatsächlich Probleme durch ihre fehlende Selbstliebe bekommen, leider nicht durch das Marketing dahinter zulänglich erreicht werden. Da einzelne Beispiele noch lange keine Regel beschreiben, halte ich definitiv Ausschau nach möglichen Experimenten zu dieser These!