Geschulte Nachfrage

TL; DR. Die Menge an Angeboten wird meistens der Freiheit des Marktes überlassen. Bei der Nachfrage sorgt das jedoch zu Problemen, die wiederum zu Ineffizienz führen können. Ein Lösungsansatz wäre es, den Nachfragenden besser in seiner Position zu schulen.

Noch nie war die Auswahl und die darin verborgenen Möglichkeiten für so viele Individuen so groß wie sie es heutzutage ist. Das klingt zwar wie ein generischer Status, jedoch ist dies keineswegs selbstverständlich. Die Möglichkeiten erstrecken sich neben den vielen Bildungswegen ebenfalls in der Auswahl des Karriereeinstiegs, der Fluktuation in diversen Branchen und Sparten, sowie das Ausleben und Monetarisieren von Hobbys. Für beinahe alle Themen kannst du entsprechende Anleitungen nachschlagen und dich einlesen, am Diskurs darüber beteiligen und deine Fähigkeiten zusammen mit deiner Persönlichkeit in die passende Richtung entwickeln. Solltest du feststellen, dass die gewählt Lehre nicht der eigenen Vorstellung des Lebens entspricht, sind Um- und Weiterbildungen gang und gäbe und leisten dir die Unterstützung um einen anderen Bereich wahrzunehmen, in dem du deine volle Arbeitskraft zur Geltung bringen kannst. Supermärkte sind mit allen erdenklichen Produkten in fertiger Form sowie allen Rohzutaten ausgestattet, um jene Speisen selbst nach eigenen Vorstellungen zuzubereiten. Du kannst dich bewusst entscheiden ungesund zu leben. Du besitzt die Freiheit, dir die exotischen Früchte der Welt im Laden um die Ecke zu besorgen und erlebst eine ganzjährige Erdbeersaison. Sollte etwas nicht in Saison sein, findest du die schockgefrostete Variante davon nicht fern vom vermuteten Ort. Mit deinem Einkauf kannst du dich und deine Familie ausreichend ausstatten und wenn etwas fehlt, wird es schlichtweg sofort oder am nächsten Tag nachgekauft. Falls die Laune zum Einkaufen fehlt, hält dich wenig davon ab, durch die zahlreichen Lieferdienste zu scrollen und den Restaurants deiner Wahl ein Leibgericht abzugewinnen oder mit der kostengünstigen Alternative einen Kompromiss einzugehen, der dennoch alle wünsche nach Nahrung stillt. Neben der Essensauswahl darf die Unterhaltung natürlich nicht fehlen. Mit den standardmäßigen On-Demand Diensten ist es ein Leichtes, etwas zu wiederholen oder neues Material zu entdecken. Mit offenen Angeboten an digitalen Büchern fehlt auch an der ehemals analogen Auswahl nichts. Soziales Engagement wird immer üblicher und die Auswahl an Organisationen lässt einen den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. So finden sich neben ehrenamtlichen Stellen unabhängige Prüfstellen, die die Integrität aus externen Hand prüfen. In allen aufgezählten Bereichen ist das Angebot gigantisch. Über diese Bereiche hinaus entwickelt sich ebenfalls kurzerhand ein Überfluss.

Nach einfachsten ökonomischen Modellen, existieren gewisse Wechselwirkungen zwischen Angebot und Nachfrage. Das Angebot ist insbesondere bei Nahrung, Unterhaltung und Karriere derart vielfältig, dass du zu Lebzeiten keineswegs alles ausprobieren kannst. Das führt letztendlich dazu, dass du entweder bei dem bleibst, was du aus deinem Verwandten- und Bekanntenkreis gewohnt bist, oder dass du dich jedes Mal für etwas neues entscheiden musst und deine Vorlieben sehr volatil sind. All das ist nicht vorhersehbar und schürt am Ende des Tages eine diffuse Angebotsabdeckung ohne klare Grenzen zwischen wertvollen und sinnlosen Angeboten, denn für die bloße Existenz eines Angebots benötigt es nur eine Handvoll Personen, die eben jenes nachfragen. Entscheiden kostet Energie. Jede Entscheidung, die du triffst, raubt dir einen kleinen Teil deiner kognitiven Kapazitäten und je mehr Entscheidungen oder Abwägungen du treffen musst, desto kräftezehrender wirkt es. Am Ende der ganzen getätigten Entscheidungen landest du im Zweifel in einem Zustand der Decision Fatigue.

In decision making and psychology, decision fatigue refers to the deteriorating quality of decisions made by an individual after a long session of decision making. It is now understood as one of the causes of irrational trade-offs in decision making. Decision fatigue may also lead to consumers making poor choices with their purchases.

Quelle: Wikipedia (Stand: 10.04.2021)

Im ersten Facebook Q&A kam Mark Zuckerberg ebenfalls kurz auf diesen Punkt zu sprechen. Auf die Frage warum er immer das selbe Outfit trägt, nennt er mitunter als Grund, dass jede Entscheidung, die außerhalb des selbst gesetzten Ziels liegt, unnötige Energie rauben würde, die anderweitig besser verwendet werden kann. Sich in einem Bereich immer für das gleiche oder stets für eine ähnliche Version von etwas zu entscheiden, ist nicht immer möglich. Mit einem Fokus auf Lebensentscheidungen scheint es gar unrealistisch, dass du dich auf Erfahrungswerte verlassen kannst. Zumindest, wenn du die Vielfalt der Möglichkeiten ausprobieren möchtest, bleibt dir keine andere Wahl als dich durch den Wald an Möglichkeiten zu navigieren und dein Baum zu finden.

Bei einem subjektiven Stimmungsbild in Abschlussjahrgängen von Schulen, Universitäten und weiteren Ausbildungsstätten scheinen die Spezifikationen der Karriereorientierung der Absolventen meist unentschieden. Gleichwohl gibt es das andere Extrem, in dem sowohl exakte Pläne außerhalb der bekannten Karrierewege gewählt werden, als auch Alternativen bekannt und ausformuliert sind. Diese Diskrepanz mag eine Sache des Charakters sein, jedoch scheint es mir eher realistisch, dass jene Personen, die in der Lage sind, aus dem Möglichkeiten zu wählen, diese Fähigkeit mitgegeben bekommen haben. Das kann durch hinreichend Aufklärung in der Schule passieren, die zu meiner Zeit meist in Form von Praktika, Seminaren oder Unterrichtsbesuchen vermittelt wurde. Unter der Annahme, dass zumindest innerhalb eines Bundeslandes die schulische Aufklärung bezüglich Karriereoptionen dieselbe ist, liegt es nahe, dass diese Fähigkeit vom Elternhaus mitgegeben wird. Diese Fähigkeit bezeichne ich an dieser stelle als geschulte Nachfrage, denn wenn wir im einfachen Wirtschaftsmodell bleiben, ist das Angebot zwar da, doch die Nachfrage nicht spezifisch genug. Daher werden bei steigenden Angeboten und einem verfehlten Bildungsauftrag in der Selektion der Nachfrage irrationale Entscheidungen getroffen und somit werden verschiedene Individuen durch Obskurität und induzierter Planlosigkeit systematisch benachteiligt. Falls du entsprechende Forschungsgruppen zu diesem Gebiet kennst, kannst du sie mir gerne weiterleiten! Wenn das Angebot nicht kontrolliert wird, muss zumindest die Nachfrage ausreichend geschult werden.

Planst du deine Karriere weit im Voraus oder lässt du es eher auf dich zukommen? Schreib es mir in die Kommentare!