TL; DR. Das Konzept des Talentes ist nur eine Vereinfachung von komplexen Sachverhalten, welche derjenige, der den Begriff als Begründung für herausragende Leistung verwendet.
In Professionen wie Musik und Sport fällt besonders häufig das Wort Talent. In den Erzählungen lautet es dann, dass alle Top-Sportler oder herausragenden Musiker ein Talent vorweisen, welches den Normalsterblichen die Möglichkeit verwehrt, ebenso erfolgreich zu werden oder im schlimmsten Fall dich dazu führt, ein Hobby gar nicht erst weiter zu betreiben, weil sowieso keine Chance besteht, dieses Level an Leistung zu erreichen. Jedes mal aufs neue rege ich mich über diese Terminologie und die damit verknüpfte Vereinfachung auf, denn diese Talent Argumentation ist in den meisten Fällen schlichtweg feige. Sie nimmt ein komplexes Konstrukt, welches in sich bereits schwierig zu quantifizieren ist und versucht es auf zwei Komponenten herunterzubrechen. Eine dieser Komponenten ist hierbei repräsentiert durch das Talent, also der Gabe eine gewisse Tätigkeit, welche häufig kognitive oder motorische Fähigkeiten voraussetzt, besser auszuführen als der Durchschnitt. Die andere Komponente besteht aus der Arbeit, welche Tag für Tag eingebracht wird um die Gabe zu füttern. Hierbei wird stets vorausgesetzt, dass beides aufeinander aufbauen muss, um zu Erfolg zu führen. Dem ist nicht so. In den meisten Fällen, in denen dir jemand talentiertes begegnet, kannst du davon ausgehen, dass die Person sich diesen Status mit vielen Stunden und schweißtreibender Arbeit erkämpft hat, dass du kaum mehr von Talent reden würdest.
Was ist Talent? Allgemein wäre hiermit die Begabung gemeint, sich in etwas außerordentlich schnell einarbeiten zu können und durch eine schnellere Einarbeitung bereits früh große Sprünge auf der Lernkurve zu tätigen. Talent wird insbesondere in den Bereichen festgestellt, welche vorwiegend vom Leistungsgedanken leben. Die kompetitive Umgebung sorgt dafür, dass immer neue Wege gefunden werden, die Leistung zu quantifizieren und somit weiteren Druck zu erzeugen, um Individuen noch weiter in die Erfolgsrichtung zu drängen. Bei Fußballern mag es die Trefferquote sein, beim Geigenspieler der technische Schwierigkeitsgrad eines Stückes oder beim Wettesser die Fähigkeit mehr Essen in sich hineinzustopfen, als jeder andere. Die gemessene, erbrachte Leistung ist essentiell, denn ohne die beobachtbare Realisierung der eigenen Fähigkeiten könnte man sie nicht durch das Talent begründen. Talent scheint häufig eine Ausrede dafür zu sein, dass jemand offensichtlich nicht versteht, was zu herausragenden Leistungen in einem Bereich führt. Um dennoch eine Wertung vorzunehmen, wird das Konstrukt des Talents herbeigezogen und die umständliche Erklärung, wie diese Leistungen zustande gekommen sind, verpufft in der Magie einer verbalen Blackbox. Nun ist Talent vielleicht eine Begründung dafür, warum jemand in jungen Jahren bereits herausragende Leistungen erreichen kann, die zuvor lediglich ein paar Jahre später bei anderen Kandidaten beobachtet wurden, doch eine Tatsache wird hierbei meistens unterschlagen. Von Nichts kommt nichts. Das Konzept, welches fälschlicherweise als Talent betitelt wird, sind gewisse Anlagen, die physiologische Grenzen anders setzen können. Auch hierbei ist es naiv anzunehmen, dass gewisse Anlagen dazu führen, dass jemand stets besser sein wird als alle anderen. Noch unwahrscheinlicher ist hierbei die angenommene Abweichung verschiedener Gruppen. Natürlich gibt es genetische Unterschiede, die individuelle Stärken fördern, aber dieses Argument dazu zu verwenden jemandem die Möglichkeit abzusprechen ebenso gut zu werden ist in etwa so, als würdest du behaupten, dass Menschen ohne Talent nicht die besten werden können, was wiederum das schwammige Konzept des Talents einbezieht, denn plötzlich ist jemand erfolgreiches Talentträger. Wir drehen uns hier im Kreis. Beschreiben wir das Lernen einer neuen Fähigkeit mit einer Kurve, so gibt es die physiologischen Grenzen, welche diese Kurve theoretisch beschränken könnten. Sollte Talent an dieser Stelle auf dieser Lernkurve beschrieben werden, ist sie lediglich ein kleiner Vorsprung am Anfang der Kurve und sorgt maximal dafür, dass jemand schneller eine bessere Leistung erbringen kann. Die Limitationen bleiben hierbei jedoch die gleichen und es läuft auf den wichtigsten Punkt hinaus.
Um hohe Leistungen zu erbringen, braucht es viel Arbeit. Hinter jedem Beispiel angeblich talentierter Sportler und Musiker steckt derart viel Training und Übung, dass es gar eine Schande ist, die aufgewandte Zeit weniger anzuerkennen, als marginale Vorteile am Anfang der Lernkurve. Diese Talente fangen meistens in frühen Jahren an, werden von ihrer Umgebung stark in einen Bereich gefördert, erfahren überdurchschnittlich viel Leistungsdruck und geben sich nie mit der erbrachten Leistung zufrieden. Diese Kombination sorgt dafür, dass sie sich schneller und weiter entwickeln können, jedoch jeder mit hinreichend Zeit und Passion eben die selbige Leistung bis zum veranlagten Schwellenwert erbringen kann. Der Trugschluss des fehlenden Talents sollte daher niemals als Begründung verwendet werden, dass die eigene oder die Leistung einer anderen Person nicht der Erwartung entspricht. Solltest du unzufrieden mit deiner Leistung sein, liegt es nicht am fehlenden Talent, sondern an deiner mangelnden Dedikation.
Worin liegen deine Stärken, sodass du sie als Talent bezeichnen würdest? Schreib sie mir in die Kommentare!
Song of the day
Favorite part
You, got what I need but you say he’s just a friend
But you say he’s just a friend
So I took blah-blah’s word for it at this time
I thought just havin‘ a friend couldn’t be no crime
‚Cause I have friends and that’s a fact
Like Agnes, Agatha, Germaine, and Jacq
Forget about that, let’s go into the story
About a girl named blah-blah-blah that adored me
Biz Markie – Just a Friend