TL; DR. Jedem Modell, das den Homo Oeconomicus als Voraussetzung hat, sollte ein großes Warnsignal tragen, welches neben der empirischen Widerlegung die fehlende Anwendung in der realen Welt benennt.
Viele Wissenschaften tummeln sich nur so vor Annahmen. Seien es Dinge wie das Auswahlaxiom in der Mathematik, der Unabhängigkeit der Rechtssprechung in den Rechtswissenschaften oder dem Homo Oeconomicus in der Volkswirtschaftslehre. Es ist selbstverständlich, dass eine wissenschaftliche Systematik die sich verschiedener Modelle behilft auf verschiedensten Grundlagen aufbauen muss. Jede Person, die sich länger im akademischen Umfeld bewegt, wird diese Grundlagen zu einem Zeitpunkt weitestgehend verinnerlicht haben und sollte sich stets bewusst sein, dass diese Basis stets angenommen werden muss, wenn Ergebnisse auf die Realität übertragen werden sollen. Im Klartext bedeutet das, dass du ein Modell erzeugen und dafür theoretisch diverse Eigenschaften beweisen kannst. Werden daraus nun Erkenntnisse in die Praxis übertragen, sollte das kontrolliert geschehen, denn manche Annahmen sind häufig nicht in voller Gänze erfüllt. Unbekannte Gegebenheiten können mit Wahrscheinlichkeiten versehen werden, jedoch sind viele Disziplinen ohne diesen stochastischen Teil bereits kompliziert genug. Wird nun die entsprechende Komplexität ausgelassen, treten Fehler auf. Inwiefern diese Fehler sich in Grenzen halten, gilt es zu untersuchen. Die Untersuchung kann bereits im theoretischen Modell geschehen, indem entsprechende Unbekannte stochastisch eingepreist werden. Das geschieht wiederum durch weitere Annahmen oder eine gewisse empirische Erhebung aus der realistischere Wahrscheinlichkeitsverteilungen abgeleitet werden können, um die Unsicherheiten abzuwägen. Hierbei ist es jedoch wichtig, dass die Basis eine Grundlinie bietet, sodass Abweichungen durch die unbekannte Welt nicht allzu weit von dieser Ideallinie abweichen.
Empirische Erhebungen können diverse Formen und Farben annehmen. Die Daten müssen hinreichend aufgezeichnet und verarbeitet werden. Mit einem hinreichend ausgeklügelten Design können die Daten dann entsprechend mit dem eigenen Modell verglichen werden. Passen die erhobenen Daten selbst nach der artgerechten Bereinigung nicht in das aufgestellte Modell, muss das Eingeständnis erfolgen, dass die Annahmen im realen Anwendungsfall schlichtweg nicht hinreichend sind oder das Modell erweitert werden muss. Die Folge daraus ist insbesondere, dass Konsequenzen, die auf Basis des Modells gezogen wurden, nicht in die reale Welt überführt werden sollten, da sie keine valide Grundlage besitzen. Das setzt jedoch voraus, dass die ausführende Person und Entscheidungsträger, die sich in ihren Entscheidungen in der Vergangenheit auf solche Fehleinschätzung verlassen haben, Fehler eingestehen müssten. Das ganze passiert besonders häufig, wenn die Annahme auf denen ein Großteil der Teilnehmer akademischer Arbeiten setzt, empirisch widerlegt ist. In diesem Fall geht es um den Homo Oeconomicus. Dieser beschreibt beispielsweise den Teilnehmer im Wirtschaftssystem als rationalen Nutzenmaximierer. Wenn du erkennst, dass viele Teilnehmer eines Wirtschaftssystems Menschen sind, ist die Annahme der Rationalität bereits abwegig genug um zu verstehen, dass Modelle unter dieser Annahme meist scheitern. Das tun sie auch. Selbstverständlich kannst du für begrenzte Zeit ein Modell mit ein paar Koeffizienten gezwungenermaßen auf deine Daten pressen, doch letztendlich ist die Annahme derart einschränkend, dass sie lediglich für die Anfänge der Lehre benutzt werden sollten. Es scheint aber insbesondere im politischen Umfeld das Phänomen zu geben, dass Entscheider und ihre Berater wohl nach dem zweiten Semester VWL inhaltlich nicht mehr zugehört haben und auf der verqueren Vorstellung hängen geblieben sind, dass Modelle mit dieser Annahme dazu geeignet wären, nationale Zusammenhänge zu beschreiben oder gar zu lenken. Neoliberale Wirtschaftsfantasien gehen in Einklang mit hoffnungslosem Festhalten am Status Quo ohne ihn zu definieren. Es ist mir unverständlich wie sowohl in der Lehre, in vereinzelten politischen Beratungsgremien oder in Wirtschaftsverbänden empirisch widerlegte Modelle verwendet werden können, ohne dass sich die Beteiligten ihrer inakkuraten Arbeitsweise bewusst sind. Wie können wir zukünftige Generationen darauf vorbereiten?
Solche grundlegenden Modellannahmen werden meistens vermittelt und nicht in einem Selbstlernprozess erarbeitet. Um Studierenden sofort die Idee aus dem Kopf zu schlagen, diese Annahme auf aktuelle Wirtschaftssysteme zu übertragen, sollte immer wieder und mit Nachdruck direkt nach Vorstellung eines Modells unter dieser Annahme mit einem Gegenbeispiel versehen werden. Wenn Modelle nicht nur anschaulich durch Kurven und Funktionen erklärt werden, sondern zeitgleich mit empirischen Belegen ihre Unzulänglichkeiten beigefügt werden, sollte der Fall von Jüngern realitätsferner Wirtschaftspolitik, die zugleich Einfluss auf Entscheidungen haben können, bedeutend sinken. Das Optimum wäre hierbei null.
Bist du dir den Annahmen in deinen Modellen bewusst? Schreib mir dein Lieblingsmodell in die Kommentare!
Lied des Tages
Lieblingsstelle
Somebody else
‚Round everyone else
You’re watching your back
Like you can’t relax
You try to be cool
You look like a fool to me
Tell me
Why’d you have to go and make things so complicated?
I see the way you’re acting like you’re somebody else
Gets me frustrated
Life’s like this, you
And you fall, and you crawl, and you break
And you take what you get, and you turn it into