Meine Filterblase ist Gebilligt

TL; DR. Wenn du dich interessenshalber mit radikalen Meinungen auseinandersetzen möchtest, benutze am besten den Inkognito-Modus deines Browsers. Achte immer darauf aus welchen Quellen du deine Informationen beziehst und sei dir über deine Filterblase bewusst.

Werbung, Musik, Kommentare und Meinungen sind auf mich zugeschnitten. Wenn ich durch meinen Facebook-, Instagram-, YouTube- oder Twitter-Feed scrolle, sind neben meinen gefolgten Inhalten eine Menge Werbung und neue Inhalte vertreten. Da ich Google Produkte verwende und mich ebenfalls noch nicht von Facebook Produkten abgewandt habe und es ohne echte Alternativen zur aktiven Prokrastination nicht anstreben werde, sind die neu vorgeschlagenen Inhalte auf mich und meine nutzungsdatenbasierte, digitale Persönlichkeit zugeschnitten. Das hat Vorteile, aber auch viele Nachteile. Ich könnte die jetzt allesamt auflisten, aber was bliebe mir dann noch für einen späteren Beitrag über Datenschutz, Privatsphäre oder dem Verlust des Individualismus.

Meine datenbasierte Persönlichkeit bei Google kann ich einsehen in den Google Werbeeinstellungen. Ich habe kurz überlegt ob ich die Liste der 180 Einträge hier einfüge, aber es ist tatsächlich nichts peinliches dabei, also erspare ich dir die Suche nach unterhaltsamen Merkmalen. Letztendlich werden meine Präferenzen dazu verwendet um auf mich zugeschnittene Werbung zu schalten. Das geschieht dadurch, dass die Verkäufer aufgrund von Marktforschung und resultierendem Marketing eine Zielgruppe für ihre Produkte festlegen und es dann in der Anzeigeabteilungen von diversen Werbeanbietern mit diesen Spezifikationen vertreiben. Nun sind Unterteilungen von Individuen in vorgefertigte Kategorien unfassbar schwierig, also muss eine gewisse Varianz eingebaut werden. Natürlich kannst du naheliegende Attribute verwenden und hoffen, dass kleinere Änderungen in deinen Präferenzen noch immer zu deinen bevorzugten Elementen gehören. Zum Beispiel, wenn du nachgewiesenermaßen Schokolade magst, kann man testen ob du auch Zartbitterschokolade kaufst und somit dein Profil verfeinern. Doch viel praktischer ist es, wenn du Personen wählst, dessen Vorlieben sich sehr mit deinen gleichen. Angenommen, du als Person A und eine weitere Person als Person B surfen im Internet. Ihr seid beide 25 Jahre alt, wohnt in derselben Stadt, seid beide Single und interessiert euch für Klaviere. Wenn das alle Informationen sind, die dem naiven Algorithmus vorliegen, gilt Person B als ähnlich zu Person A. Jetzt möchte Person B etwas gegen ihr Singledasein tun, sucht auf Google nach Dating-Tipps und installiert sich Tinder aus dem Google Playstore. Da der Algorithmus euch beide als ähnliche Personen einstuft und ihr beide Single seid, kannst du davon ausgehen, dass dir ebenfalls die Dating-Tipps vorgeschlagen werden, sowie mehr Tinder-Werbung gezeigt wird. Das ist, wie immer, ein sehr vereinfachtes Beispiel und in der Realität spielen hunderte, wenn nicht sogar tausende Faktoren eine signifikante Rolle in der Entscheidung, was du angezeigt bekommst.

Die Filterblase ist eine logische Konsequenz aus genau diesem Vertriebskonzept. An sich ist daran auch wenig verwerflich, zumindest wenn man personalisierte, zugeschnittene Werbung akzeptiert und moralisch vertretbar findet. Doch das Problem sind die Scheuklappen, die du dadurch aufgesetzt bekommst. Auch hier kommt es immer auf den Themenbereich an. Wenn ich überwiegend in Python programmiere und auf der Suche nach neuen Open-Source Projekten bin, gibt es wenig daran auszusetzen, dass mir proprietäre Software als Pendant zu genau diesen Projekten vorgeschlagen wird. Problematisch wird die Filterblase bei politischer Meinung und Themen die eine gesunde Debatte fordern. Meistens umgibst du dich mit Menschen, die eine ähnliche politische Meinung vertreten. Das bedeutet, dass neue Inhalte ebenfalls dieser Meinung eine gewisse Bestätigung verleihen und keinerlei Kontroverse zulassen. Hier kommen Falschmeldungen, Verschwörungstheorien und populistische Meinungsmache ins Spiel. Solltest du in das Milieu fallen, oder eine ausreichende Überschneidung finden, wirst du nach und nach an deren Inhalte herangeführt und rutscht in eine kritische Filterblase. Es ist kritisch, weil darin alle Meinungen außerhalb der Filterblase als falsch, destruktiv und Teil einer Meinungsdiktatur gesehen werden, welche solche Kampfbegriffe nutzen um ihre Gegner zu diffamieren. Als ich mich nach einer Spiegel Reportage aus anderen Quellen per Google Suche über die Verschwörungstheorie QAnon informiert habe, wurde mir kurzerhand später inklusive Pushbenachrichtigung auf meinem Handy ein Video eines rechten YouTubers empfohlen, der maßgeblich von der Identitären Bewegung finanziert wird. Die Diffamation etablierter und kritischer Meinungsäußerung aus allen politischen Spektren außer dem eigenen wurde dort überaus subtil ausgetragen, sodass du es beim ersten Ansehen nicht unbedingt erkennen würdest. Ich habe mir das Video angesehen, fand es kritisch und habe mir deswegen vorerst kein weiteres Video des YouTubers angesehen. Dann kam ein weiterer Vorschlag für denselben YouTuber und kurz darauf habe ich Vorschläge für bekannte Neonazis und Holocaust-Leugner erhalten. An der Stelle habe ich festgestellt wie schnell du in solch eine radikale Filterblase rutschen kannst. Ich habe alle diese Kanäle blockiert, entsprechende Schlagwörter aus meinen Werbungseinstellungen entfernt und achte seither insbesondere auf einen der aussagekräftigsten Indikatoren für radikale Filterblasen: Die Kommentarspalte. Dort findest du in radikalen Filterblasen meistens einen Einheitsbrei an Meinungen, die den Inhalt des Videos bedingungslos unterstützen, interpretieren und dadurch zwangsläufig verstärken bis die Zuschauer eines Nachmittags Hand in Hand mit Reichsbürgern und Neonazis auf die Treppen des Reichstagsgebäudes marschieren. Natürlich solltest du dich auch mit kritischen Meinungen auseinandersetzen, aber nutze bei radikalen Meinungen lieber den Inkognito-Modus um solch eine unbeabsichtigte Entwicklung zu vermeiden.

Meine Bubble besteht aus Essen, Programmierung, internationalen Nachrichten und Wissenschaft. Kein radikaler Unsinn außer ein paar Medium-Artikeln, welche behaupten, Python stirbt bald aus. Was ein Unsinn. Mein Fazit: Meine Filterblase ist gebilligt.

Was sind die Hauptmerkmale eurer Filterblase? Arbeitest du aktiv daran, deine Filterblase aufzulösen um von allen Seiten gleichmäßig Informationen zu bekommen? Schreib es mir in die Kommentare und ich kann dich beruhigen, denn ich verwende kein Google Analytics auf dieser Seite, also trägt dein Kommentar nicht zu deiner Filterblase bei.

Lied des Tages

Lieblingsstelle

Ich hab‘ dich nicht angespuckt, dicker Ritterschlag
Woher soll ich wissen, was ich denk‘, bevor ich seh‘, was ich getwittert hab‘

K.I.Z – FBI und Interpol

1 Kommentare zu „Meine Filterblase ist Gebilligt“

  1. Pingback: Google hat dein Leben bereichert! – alex.all

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